[Schreibtagebuch] Die Maisfelder – Teil 1
Hallo ihr Lieben
Einen Sinn muss es doch haben, dass ich Tag für Tag hunderte, wenn nicht tausende Worte zu Papier bringe. Bisher waren es allerhöchstens Familienmitglieder, die etwas davon zu Gesicht gekriegt haben. Doch nun habe ich euch und erschrecke euch mal mit diesem Nicht-Überarbeiteten Text aus dem Jahr 2010. Man bedenke meine Unerfahrenheit von vor vier Jahren. Allerdings gefällt mir der Text gar nicht allzu schlecht. Wenn es euch interessiert, zeige ich euch gerne, was eine Überarbeitung aus diesem Text gemacht hat. Oder eine weitere Szene aus dieser Story, die leider bis heute unvollendet geblieben ist. Was mir beim Durchlesen nach vier Jahren auffällt ist, dass die Charaktere (die Zwillinge) sehr, sehr jung wirken. Sie wirken nicht wie im heiratsfähigen Alter, sondern ungeduldig und trotzig. Was denkt ihr? Fällt es euch auch auf? Ich hoffe, dieser Text versüsst euch das Warten auf meinen Debütroman. Falls dann jemand darauf wartet =)
Die Frage, ob wohl allen feinen Damen
in dieser Welt bloss die langweiligen Arbeiten zukamen, beschäftigte
Abigail sehr oft. Sobald sie mit Nähen begann nämlich. Dann flogen
ihre Gedanken hinaus in die Welt, verliessen den einengenden Raum, in
dem das Mädchen der eintönigen Beschäftigung nachging. Gemeinsam
mit ihrer Mutter und ihrer Zwillingsschwester Aurelia sass Abigail
fast jeden Nachmittag in dem grossen Wohnzimmer auf der Mullberry
Farm und kämpfte mit einer Handarbeit. Manchmal las Mrs George dann
auch aus einem Buch vor, an dem ihr Töchter aber selten interessiert
waren. Waren Nachbarinnen zu Besuch, nähten, stickten oder strickten
diese ebenfalls mit. Abigail George war genervt ab diesen Stunden.
Sie war nicht dazu geschaffen, stundenlang herumzusitzen und ihrer
Meinung nach waren dies unnötige Arbeiten, die bei Bedarf auch
genauso gut von Bediensteten ausgeführt werden konnten. Ausreiten
war, was sie wollte. „Psst, Abby“, machte Aurelia bloss, als
Abigail den Vorschlag ihrer um Minuten älteren Schwester machen
wollte. Diese war zu diesem Thema ohnehin nicht einer Meinung mit
Abigail. Aurelia mochte die beschauliche Handarbeit lieber als die
Freiheit des Reitens.
„Aurelia und ich werden jetzt
ausreiten“, verkündete Abigail Minuten später, ohne Rücksicht
auf den Willen ihrer Zwillingsschwester. Der Widerspruch ihrer Mutter
liess nicht auf sich warten. „Auf keinen Fall reitet ihr heute noch
aus. Was fällt dir denn ein Abigail? Wir erwarten Gäste zum
Abendessen und ich will nicht dass du und deine Schwester nach Stall
riechen.“, vereitelt war Abbys Plan und die Mutter setzte,
wohlwissend, dass sie die Oberhand behalten würde, noch einen drauf.
„Wichtige Gäste für euch, wenn ihr versteht. Ihr seid
schliesslich im heiratsfähigen Alter. Eure potentiellen Ehemänner
sollen doch nicht glauben ihr seid vollkommen unzivilisiert und
verwildert, oder?“ Der schnippische Ton hatte jeglichen Protest
unterbunden und mit einem letzten, bösen Blick verliess Mrs. George
das Zimmer. Abigail tat es richtig leid, dass Aurelia unschuldig zum
Opfer ihrer strengen Mutter geworden war. Mit einem zerknirschten
Blick bat sie ihre Schwester stumm um Vergebung. Diese lächelte
besänftigend und drückte Abigails Arm. Obwohl die zwei verschieden
waren wie Flut und Ebbe, verstanden sie sich meist blendend. „Ich
habe Parcival schon zwei Tage nicht mehr bewegt“, ereiferte sich
das Mädchen bereits weiter mit leicht geröteten Wangen, die ihre
Erregung zeigten. „Aber Abby, für etwas haben wir doch die
Stallburschen eingestellt“, lachte Aurelia über ihre aufgewühlte
Schwester. „Auf keinen Fall dafür, dass mein Pferd sie mehr sieht
als mich, während ich hier drinnen ersticke und versauere“,
frustriert warf Abigail die Häkelarbeit auf den Nähtisch. Sie erhob
sich und streckte und reckte ihre kleinen, zierlichen Glieder, um
anschliessend ungeniert mit weit geöffnetem Mund zu gähnen. Aurelia
drohte ihr lachend mit dem Finger. „Wie kommt es bloss, dass du so
furchtbar ungezogen bist?“, fragte sie, doch der gespielte Ernst
versteckte schlecht das warme Lächeln. Doch für eine Antwort von
Abigails Seite blieb keine Zeit. Aus der Diele erklang ein spitzer
Schrei, der die beiden jungen Mädchen erschrocken aufhorchen liess.
Beide Mädchen rannten so schnell sie
konnten und zudem ziemlich undamenhaft auf dem Wohnzimmer. In der
Diele fanden sie ihre Mutter, die sich schwer atmend am dem
Treppengeländer festklammerte. Abigail und Aurelia legten ihre Hände
auf den knochigen Rücken von Mrs. George. "Was ist passiert,
Mutter?", erkundigte sich die ältere Aurelia besorgt. Doch die
Angesprochene keuchte nur und dieser Umstand veranlasste die
Zwillingsschwestern, einen weiteren besorgten Blick zu wechseln.
Abigail rannte hinaus in den Hof, um ihren Vater zu suchen, der um
diese Zeit von den Feldern zurückkehren sollte, während Aurelia die
Mutter sanft die enge Treppe hinauf in ihr Zimmer begleitete. Die
Jüngere durchsuchte den Stall, bevor sie den Gesuchten in der
Scheune fand.
Jeremy George wurde rabiat von seiner
zarten Tochter über den Hofplatz gezerrt, auch für die dort
angebundenen Pferde hatte die junge Frau keinen Blick. „Mutter ist
sehr krank. Es geht ihr auf jeden Fall nicht gut“, keuchte Abigail
aufgeregt. Von der Eile fiel ihr das Atmen schwer. Dass sich seine
Jüngste Sorgen um ihre Mutter machte, beunruhigte Mr. George. Das
Verhältnis zwischen den zwei war nicht das Beste, von all seinen
Kindern lehnte sich Abigail am meisten gegen die Eltern, insbesondere
die Mutter auf. Dazu kam, dass das Mädchen zu unbekümmert war um
sich schnell aufzuregen. Aus diesen Gründen eilte auch der Farmer
hinter seiner Tochter hastig die Treppe empor. Unterwegs wies er
Percy, den alten Knecht an, nach einem Arzt zu schicken.
Kurze Zeit später stand Jeremy
zwischen seinen Töchtern am Bett seiner bleichen Frau und hielt
deren Hand. Sein Ältester, Alec war ebenfalls nach Monroe geritten,
um gemeinsam mit Percy auf dem schnellsten Weg einen Arzt auf die
Mullberry Farm zu schaffen.
Als ihre Mutter bereits wieder die
ersten Befehle erteilte, wusste Abigail, dass es ihr besser ging,
doch sie fand den Mut nicht, ihren Vater nach der Erlaubnis zum
Ausreiten zu fragen. Dieser schickte seine Töchter auch in die
Eingangshalle, so dass das Mädchen nicht mehr die Gelegenheit zum
Fragen hatte. Unten sollten die beiden auf Alec und den Arzt warten.
Hufegetrappel im Hof kündigte alsbald
das Kommen der Erwarteten an und Aurelia öffnete weit die Tür.
Obwohl sich die Familie George längst einen Butler hätte leisten
können, empfingen sie ihre Gäste selber. In vielen Diskussionen
hatte Jeremy seiner verwöhnten Frau, die an einen luxuriösen
Lebensstil gewöhnt war, erklären können, dass so was nicht auf
eine Farm passe und wenn diese noch hundertmal die Vornehmste im
ganzen County war. An Köchin, Zimmermädchen und früher an
Kinderfrauen hatte sich der gutmütige Farmer, der aus einfacheren
Verhältnissen stammte als seine Frau, zwangsläufig gewöhnt.
„Wieso drei?“, Abigail zählte
erstaunt die Ankommenden. Mister Willis, der neben ihrem stattlichen
Bruder Alexander herschlurfte, war den Mädchen aus ihren
Kinderjahren bestens bekannt. Es hiess, dass der Alte mindestens
ebenso viele Tiere wie Menschen geheilt habe. Er war ein komischer
Kauz, aber überaus gutmütig. Er gehörte zu den wenigen Menschen in
der Umgebung, der noch nie von dem aufbrausenden Wesen der Mrs.
George beeindruckt gewesen war. Der dritte Ankommende, ein junger
Mann, der auf Abigail schlicht, aber sympathisch wirkte, betrat das
Haus als Letzter. „Mister Dawson ist mein neuer Assistent“,
erklärte der alte Arzt und der Vorgestellte versank in einen Knicks,
um die jungen Damen sogleich mit einem Handkuss zu begrüssen. Als
der alte Mr. Willis seinem Assistenten ins Ohr raunte, dass er besser
unten warten solle, da die Patientin etwas schwierig sei, konnte
Abigail sich nicht mehr halten und lachte hell auf. Auch unter den
missbilligenden Blicken ihrer Geschwister konnte sie sich nicht
beherrschen. Alec begelitete kopfschüttelnd den Arzt ins obere
Stockwerk. Sobald Aurelia und sie mit dem jungen Assistenten alleine
waren, schlug Abigail einen neugierigen Plauderton an. „Woher
kommen Sie, Mr. Dawson?“
Mit einem Zischen griff Aurelia nach
dem Arm ihrer Zwillingsschwester. "Bist du verrückt? Man
spricht doch nicht mit fremden Männern!", raunte sie erbost.
"Aber jetzt ist er nunmal da", erwiderte Abigail fröhlich
und wandte sich wieder dem Assistenzarzt zu. Dieser schmunzelte
amüsiert, versuchte dies aber zu verbergen. "Ich stamme aus
Kanada Miss George. Aber ich lebe in Monroe mit meiner Familie.",
beantwortete er ohne zu Zögern ihre Frage und lächelte Auerlia
beruhigend zu. "Machen Sie sich keine Sorgen Miss George",
besänftigte er und Abigails Schwester errötete. Der junge Mann
schien aber ebenfalls verwirrt, vorallem ab der unverkennbaren
Ähnlichkeit der beiden jungen Schönheiten. "Verraten Sie mir
Ihren Vornamen?", Abigail wusste selber, dass sie zu weit ging,
doch der junge, sympathische Mann hatte eine schöne Stimme und sie
hätte es schade gefunden, schweigend auf Mr. Willis zu warten. "Nun,
das könnte ich mir überlegen, wenn Sie mir den ihren nennen Miss
Willis. Sie beide am Besten", neckte Mr Dawson. Die Ältere war
inzwischen vollkommen errötet, doch Abigail blickte den Mann etwas
hochmütig und sehr gelassen an, das Kinn etwas nach vorne geschoben.
"Aurelia", flüsterte ihre Zwillingsschwester kaum hörbar,
worauf ihr erneut die Hand von dem Assistenzarzt geküsst wurde.
Als sich der junge Mann aber Abigail
zuwandte, zog er die Augenbrauen etwas höher. Es war deutlich, dass
ihn die freche und selbstbewusste Art neben ihrer wohlerzogenen
Schwester erstaunte. Seiner Kleidung und Sprache nach, stammte er
nicht aus der selben Gesellschaftsschicht wie Abigail und ihrer
Familie, darum schien er auch nicht zu wissen, dass es unschicklich
war, wie das Mädchen ihn so keck in ein Gespräch verwickelte. Deren
Blick behielt einen Rest Herablassung bei, als sie ihren Namen
nannte. Dieser gefiel Mr. Dawson offensichtlich und es schien, als
wolle er ihn auf der Zunge zergehen lassen, „Abigail“, und
schnell fügte er an „erfreut“, und küsste auch der Jüngeren
die Hand. „Jeffrey Dawson“, stellte er sich danach gemäss
Abmachung mit Vornamen vor. Abigail wusste nicht, was den Wunsch
auslöste, doch sie wiederholte ebenfalls den Namen des jungen
Arztes. Um diese Sanftheit vergessen zu machen, nickte sie ihm knapp
zu und meine bloss: „Schön“.
In diesem Augenblick wurde Aurelia von
ihrem Vater aus dem oberen Stockwerk um eine Schüssel Wasser
gebeten. Mit einem letzten warnenden Blick auf ihre vorlaute
Zwillingsschwester verschwand sie. Abigail verstand Aurelias Blick
sehr wohl, doch sie steckte gerade in einem eigenen Konflikt. Sie
hatte nämlich in Wirklichkeit keine Ahnung, wie man mit jungen
Männern, die nicht ihr Bruder Alec waren, kommunizierte. Musste sie
Jeffrey nun Du oder Sie sagen? Mr. Dawson oder Jeffrey? „Sind Sie
schon lange Arzt?“, fragte sie schliesslich und ärgerte sich über
sich selber, dass sie auf einmal so schüchtern geworden war. „Nein,
Miss George“, kam die Antwort und das Mädchen spürte, dass auch
ihr Gegenüber von Unsicherheit befallen worden war. Diese Tatsache
machte sie selber wieder viel sicherer und ungerührter als zuvor
lauschte sie der restlichen Antwort des jungen Arztes, der von seinem
Studium erzählte. „Und nun wollen Sie die Praxis von Mister Willis
übernehmen?“, erkundigte Abigail sich neugierig. Jeffrey zuckte
mit den Schultern. „Ich werde zuerst in den Krieg ziehen. Danach
sehe ich weiter, falls ich zurückkehre.“, erklärte er. Abigails
Augen waren immer grösser geworden, während Jeffrey geredet hatte.
„Sie sind so mutig Mister Dawson.
Bedeutet Ihnen die Verteidigung Ihrer Ideale auch soviel?“, fragte
sie eifrig. Abigail war in Gedanken so tief im Gespräch versunken,
dass die Frage von Schicklichkeit längst vergessen war. Sie war aber
trotzdem erstaunt, als der junge Arzt den Kopf schüttelte. „Ich
verspüre kein Bedürfnis, für die Ideale, die nicht meine sind,
anderen Männern, die dies vielleicht auch nicht wollen, Kugeln in
den Kopf zu schiessen Miss George.“, kam Mr. Dawsons heftige
Antwort. Sofort fühlte sich Abigail dadurch persönlich angegriffen.
Ihr Stolz liess nicht zu, dass ein Fremder, dessen Herkunft zudem
einiges niedriger schien als ihre eigene, in diesem Ton mit ihr
sprach. „Mr. Dawson“, ihre Stimme klang kühl und troff vor
Arroganz. „Sie müssen wissen, dass es in unseren Kreisen üblich
ist, aus edleren Motiven in den Krieg zu ziehen als aus reiner
Geldgier.“ Zwar hatte sie sofort richtig erkannt, dass es dem
jungen Mann um das Geld ging, das er als Soldat verdiente, doch hatte
sie damit anscheinend einen wunden Punkt Mr. Dawsons getroffen.
Dieser atmete zischend und hörbar ein,
ein Muskel neben seiner Nase zuckte und er schwieg eine ganze Weile.
Richtig unbehaglich begann sich Abigail zu fühlen, bis der Mann
endlich antwortete. „Und in unseren Kreisen ist es üblich, Streits
ohne Blutvergiessen zu beseitigen Miss George. Aber Sie sind bloss
ein unverschämtes, arrogantes Ding, das keine Ahnung hat, was in der
Welt ausserhalb seiner vornehmen Familie vor sich geht. Suchen Sie
doch zuerst ein bisschen Reife und Weisheit zu erlangen, bevor Sie
sich über Kreise unterhalten wollen, die Sie nicht einmal kennen!
Sie merken nicht einmal, wie abstossend verwöhnt Sie sind, Miss.“,
spuckte Jeffrey Dawson seine Entgegnung regelrecht aus. Mit einem
knappen Knicks drehte er sich um, und verliess das Farmhaus. Als der
Vater mit dem Arzt herunter kam, fand er nur noch seine Tochter
Abigail vor, die nervös auf- und abging. Sie war zu stolz, um dem
Mr. George oder auch Mr. Willis von der ihr widerfahrenen Beleidigung
zu erzählen. Ihr hochroter Kopf sprach für sich, doch die beiden
Männer waren in ein Gespräch vertieft. Zum Abschied tätschelte der
alte Arzt dem Mädchen die Wange, „Seien Sie unbesorgt Miss George,
ihre Mutter kommt bald wieder auf die Beine.“ Automatisch nickte
Abigail. „Geh doch zu ihr, Abby“, meinte der Vater und sie stieg
folgsam die Treppen hoch.
Eure Tintenhexe
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